Eine Fau blickt gedankenverloren ins Leere und hält ein Handy in der Hand.

Erinnerungen loslassen: Vergessen will gelernt sein

Täglich prasseln Millionen von Eindrücken auf uns ein. Unser Gehirn sortiert einen grossen Teil davon gleich wieder aus. Was wichtig ist, darf bleiben. Doch wir können auch aktiv vergessen.

   Kurz und einfach

Das Gehirn merkt sich manche Dinge besonders gut.
Dann denkt man oft daran.
Auch bei unangenehmen Erinnerungen.
Man kann auch bewusst Dinge vergessen.
Das braucht Übung und Mitgefühl für sich selbst.

Stellen Sie sich vor: Sie nehmen online an einer Weiterbildung teil. Unter den Teilnehmenden entdecken Sie eine gute Bekannte. Sie schreiben eine flotte Bemerkung in die Chatfunktion und merken just im Moment des Absendens, dass die Nachricht nicht nur an Ihre Bekannte, sondern an alle Teilnehmenden geht. Wie peinlich! Immer wieder denken Sie über diesen Fauxpas nach und erzählen Ihren Liebsten wiederholt davon. Irgendwann hören Sie den Satz: «Ach, vergiss das doch endlich!»

Wenn das nur so leicht wäre … Denn ist es nicht so: Sobald Sie daran denken, an etwas nicht denken zu wollen – denken Sie daran?

 

Warum sind einige Erinnerungen so stark?

Der Schreck im genannten Beispiel nach dem Versenden der Nachricht zeigt dem Gehirn: «Das ist wichtig!» Durch die vielen Wiederholungen ist die Erinnerung vom Kurzzeit- ins Langzeitgedächtnis gewandert. Es entsteht eine Gedächtnisspur.

Sich an Erlebtes und an Fakten zu erinnern, stillt gleich mehrere menschliche Bedürfnisse: Wir finden uns besser zurecht, treffen klügere Entscheidungen, fühlen uns sicherer und können mit anderen Menschen in Kontakt bleiben. Erinnerungen sind wie innere Wegweiser – darum gibt es viele gute Gründe, warum sich unser Gehirn so gerne Dinge merkt.

 

Wie funktioniert das Vergessen?

Meistens geschieht das Vergessen automatisch. Nur was in uns Gefühle auslöst oder bewusst als wichtig bewertet wird, gelangt in unseren inneren Speicherprozess. Wenn wir diesen Inhalt nicht aktiv wiederholen, verblasst er schnell. Schon nach 24 Stunden haben wir bereits 70 % davon wieder vergessen.
Eine Anleitung, wie aktives Vergessen geht

Wann hilft aktives Vergessen?

Bewusstes Vergessen klappt meistens gut, wenn uns etwas stört, aber nicht allzu tief berührt. Bei sehr emotionalen oder gar traumatischen Erinnerungen kann es jedoch eher schaden als helfen. Die folgende Anleitung ist deshalb für Erinnerungen gedacht, die zwar unangenehm, nervig oder aufdringlich sind, aber nicht überwältigend. Für quälende traumatische Erinnerungen braucht es fachliche Unterstützung.

Folgende Überlegungen sind für bewusstes Vergessen hilfreich: Wenn Ihr Gehirn sich etwas merkt, hat das einen guten Grund. Es hat dieses Erlebnis automatisch als bedeutsam eingeschätzt. Bevor Sie es aktiv vergessen, sollten Sie gut prüfen, was das Bedeutsame daran ist. Oft lässt sich dann ein Teil des Erlebten herausschälen, an den Sie sich sinnvollerweise erinnern sollten. In unserem Eingangsbeispiel ist es das Bedürfnis, sich nie mehr so schämen zu müssen. Weil das schwierig zu erreichen ist, suchen Sie nach einem hilfreichen Lernziel: «Ich überprüfe vor dem Abschicken einer Nachricht, an wen diese gesendet wird!» Die Vorstellung, dass alle Teilnehmenden der Weiterbildung Sie peinlich finden, dürfen Sie hingegen vergessen. Es hilft Ihnen nicht. 

 

Natürlich braucht dieses Vorgehen etwas Übung, denn jede Situation ist anders. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg beim Anwenden dieser Methode. Und falls es Ihnen nicht gefällt? Vergessen Sie es!