Ein Blick in den Kühlschrank.

Hunger und Gluscht – Tipps für ein besseres Sättigungsgefühl

Kinder hören zu essen auf, wenn sie satt sind, und melden sich, wenn sie Hunger haben. Was so banal klingt, ist für Erwachsene oftmals eine grosse Herausforderung. Marlène Gautschi erklärt, warum das Hunger- und Sättigungsgefühl im Erwachsenenalter oft durcheinander kommt. 

   Kurz und einfach

Bei Hunger möchten wir etwas essen.
Appetit ist ein Gefühl und kein Hunger.
Erwachsene wissen oft nicht, wenn sie satt sind.
Kinder schon.
Erwachsene müssen das Essen manchmal neu lernen.
Dann werden sie auch wieder satt.
 

Wie entsteht das Hungergefühl?

Hunger ist ein angeborener, normaler Weckruf des Körpers, wenn er nach Energie und Nährstoffen verlangt. Wir spüren ihn, wenn sich der Bauch leer anfühlt, der Magen knurrt oder wir uns schlapp fühlen und uns nicht mehr konzentrieren können. Dabei bildet die Magenschleimhaut das Hormon Ghrelin und sendet es an unser Gehirn. Dadurch entsteht das Hungergefühl. Der Ghrelinspiegel erhöht sich mit dem Hunger und sinkt nach der Einnahme einer Mahlzeit. Unser Körper signalisiert uns manchmal aber auch falschen Hunger, der uns durch äussere Reize verführt. 

 

Was heisst Appetit? 

Appetit entsteht im Kopf. Er wird ausgelöst durch Emotionen wie Stress oder Frust. Auch äussere Reize wecken unseren Appetit, so zum Beispiel ein verführerischer Duft oder Gewohnheiten wie Kuchen zum Kaffee. Appetit, also Gluscht, ist ein Verlangen, das schnell auftritt, aber auch wieder verschwinden kann – Hunger nicht. Eine gewisse Lust auf Nahrung ist wichtig, denn wer keinen Appetit hat, zum Beispiel bei Liebeskummer oder Trauer, mag auch nichts essen, selbst wenn der Körper eigentlich Hunger hat. Wichtig ist, dass man die richtige Balance findet zwischen Lust, Appetit und Hunger. Und das ist in unserer Überflussgesellschaft nicht immer leicht. 

 

Wie entsteht das Sättigungsgefühl?

Das Sättigungsgefühl wird ausgelöst durch das Zusammenspiel von Magendehnung, der Freisetzung von sättigenden Hormonen, der Essdauer und Verstoffwechslung von Nährstoffen wie Eiweiss, Fett und Nahrungsfasern. 

 

Babys und Kleinkinder melden Hunger und Sättigung intuitiv 

Säuglinge und Kleinkinder verfügen normalerweise über ein gut funktionierendes Hunger- und Sättigungsgefühl. Ein falsch erlerntes Essverhalten kann dazu führen, dass die natürlichen Sättigungssignale nicht mehr wahrgenommen werden. Daher ist die Wahrnehmung des natürlichen Hunger- und Sättigungssignals von Kindern besonders wichtig.

 

Marlène Gautschis Praxistipps: 

  • Eltern bieten zuerst kleine Essportion an bzw. nehmen sich die Kinder selbst. Das Kind kann nach mehr verlangen, bis es satt ist.
  • Eltern schaffen einen gemütlichen Familientisch. Das Kind soll sich auf das Essen konzentrieren. Ablenkungen, wie beispielsweise der Fernseher, sollten gemieden werden. 
  • Das Kind soll nicht mit Tricks, Überzeugungsszenarien, Versprechen oder Spielen zum Essen animiert werden.
  • Essen soll nicht zur Belohnung, zur Bestrafung (Essensentzug) oder zum Trösten eingesetzt werden.
  • Essen ist keine Leistung. Eltern loben das Kind nicht übermässig für das, was und wie viel es isst. Es soll nicht gezwungen werden, den Teller leer zu essen.
  • Beendet das Kind die Mahlzeiten frühzeitig oder will es nichts essen, dann genügen ein bis zwei Versuche der Eltern. Sie bieten keine Extraspeisen als Ersatz an.
 

Hunger und Appetit wieder in Balance bringen

Bei vielen Erwachsenen wurde das angeborene Hunger- und Sättigungsgefühl durch Faktoren wie Erziehung, Gewohnheiten und verschiedene Impulse von aussen aus der Balance gebracht. Folgen von Stress und Emotionen können zu Heisshunger, Übergewicht, aber auch zu Untergewicht führen. Folgende Praxistipps unterstützen eine ausgewogene Hunger- und Sättigungsregulation.
  • Appetitgeplagte, die nach einer Mahlzeit immer noch Appetit haben, sollten langsam und bewusst essen. Das Sättigungsgefühl setzt etwa 20 Minuten nach Beginn der Mahlzeit ein. 
  • Meiden Sie schnellverfügbare Kohlenhydrate wie Süssgetränke oder Weissbrot. Sie lassen den Blutzucker stark ansteigen und können Heisshungerattacken verursachen. Oft ist Heisshunger eher Heissdurst. Wassertrinken hilft meistens über die Gelüste, die sowieso nach einer halben Stunde weg sind.
  • Trinken Sie ausreichend und ungezuckert, denn gezuckerte Getränke und Alkohol lösen Appetit aus. 
  • Viele Übergewichtige fühlen keine Sättigung mehr. Unter anderem hängt es von der Grösse der Fettspeicher und deren Hormonen ab. Diese Personengruppe muss lernen, «über den Kopf zu essen» und höchstens drei Mahlzeiten pro Tag einzunehmen.
  • Lernen Sie, sich schrittweise wieder zu konditionieren, und lassen Sie sich nicht stetig von äusseren Signalen (Augen-, Nasen-, Seelenhunger) fremdsteuern.